Mittwoch, 15. Oktober 2014

Andrea Camilleri "Der Tanz der Möwe"

Der commissario ist inzwischen 57 Jahre alt, schläft oft unruhig und trauert immer häufiger den guten alten Zeiten nach. Was war da besser? Was ist heute schlechter als damals?

Die Welt scheint ihren Halt verloren zu haben. Unordnung und Rücksichtslosigkeit greifen um sich, ein menschliches Miteinander wird immer schwieriger. Im Leiden der sterbenden Möwe, ihrem letzten Auf­bäu­men erkennt Salvo in gewisser Weise sich selbst: als wäre er der letzte Mohikaner, der sich gegen das übermächtig werdende Böse in der Welt stemmt. Denn wiewohl er nach außen hin gern ruppig erscheint, macht es ihm seine Feinfühligkeit nicht leicht, das Alltagsgeschäft einfach so hinzunehmen und abzuar­beiten. Auf was für Spuren und Indizien er und sein Team auch treffen – Blut, Kugeln, Lügen –: Er spürt, welches Leid, welche Nöte sich oft dahinter verbergen.

Nur ist leider auch er alles andere als perfekt, insbesondere, wenn es um Lidia, die Langzeitverlobte, geht. Wieder einmal vergisst Salvo, von seiner Arbeit restlos in Beschlag genommen, dass er mit ihr eine Abma­chung getroffen hatte, und der Polizei-Tolpatsch Catarella denkt natürlich an nichts Böses, als er sie dar­über aufklärt, womit ihr Salvo gerade beschäftigt ist ...

Der Krimiplot setzt diesmal in besonderer persönlicher Nähe ein: Inspektor Fazio, Montalbanos zuverläs­sig­ster Mitarbeiter und ein wahrer Freund, scheint entführt worden zu sein. Nach und nach entfaltet sich ein Fall von Waffenschmuggel, der Fazio (und andere) in größte Gefahr bringt. Was Montalbano jedoch über die bloße Gesetzlosigkeit der Taten hinaus verzweifeln lässt, ist die mitleidlose Grausamkeit, mit der die Verbrecher ihre unmenschlichen Aktionen durchziehen, als wären sie gefühllose Automaten. Ihre Op­fer müssen einen qualvollen Weg durchleiden, ohne sich entziehen zu können – das Sterben der Möwe am Strand ist Spiegel und Symbol.

Camilleri, der alte, immer wieder junge Routinier, weiß, wie man langsam und leise, aber effektvoll Span­nung aufbaut und am Köcheln hält: die eindrucksvolle Möwenepisode gleich am Anfang als ominöse Vor­ausdeutung, ein geschickter Wechsel zwischen Verbergen, Andeuten und Aufdecken wichtiger Informatio­nen, unscheinbare Indizien in Äußerungen und Gesten ... Wie immer begleiten wir den commissario auf Augenhöhe.

Und ebenso wohlbekannt ist, wie der Autor seine Figuren nicht nur gestaltet, sondern uns ans Herz legt. Da ist die leise Ironie des Erzählers, der von menschlichen Schwächen berichtet; der verschmitzte Ton des Salvo Montalbano, wenn er mit seinen sizilianischen Mitbürgern zu tun hat; die stilistische Vielfalt ...

Am Ende hat Montalbano mit seinem Team den Fall gelöst, aber die Welt ist nicht besser geworden. Denn das Grundübel besteht noch, die Strippenzieher können weitermachen wie bisher, die Verantwortlichen schauen weg (oder gar zu), die Öffentlichkeit schert sich nicht, da sie ja ohnehin machtlos ist und alles ja immer schon so war ... Und doch bleibt ein Schimmer Hoffnung: Es lohnt sich, Anteil zu nehmen, sich auf­zu­bäu­men. (Bücherrezession.org)

Sonntag, 28. September 2014

Die lächerliche Finsternis 28.9.2014

"Die lächerliche Finsternis" von Wolfram Lotz wird derzeit im Akademietheater aufgeführt. Ein bewegender Theaterabend, der alle Facetten eines modernen Theaters zeigt: Sprachspiel, laufender Stimmungswechsel, unterschiedliche Konstruktionen der Wirklichkeit, einfaches aber wirksames Bühnenbild.
Unterschiedliche Handlungsstränge, die scheinbar wenig miteinander zu tun haben, werden zu einem Ganzen verwoben, um das Unverständnis der Menschen untereinander aufzuzeigen.
Für mich der Kernsatz: Nicht die Wirklichkeit darf die Fiktion prägen, sondern die Fiktion die Wirklichkeit.
Tolle Schauspielerinnen!
Vergleiche dazu den Film Apocalypse now

http://www.burgtheater.at/Content.Node2/home/spielplan/event_detailansicht.at.php?eventid=963434619&activateTab=detail_cast#content

Der Schwimmer von Joakim Zander

Damaskus: Das Kind in seinen Armen hat hohes Fieber, atmet kaum noch. Im nächsten Moment explodiert eine Bombe: Die Frau, die er liebt, stirbt. Doch der Anschlag galt ihm. Dem amerikanischen Agenten.
Brüssel: Im Haifischbecken der Politiker und Lobbyisten bewegt sich EU-Referentin Klara Walldéen mühelos. Doch dann begegnet die junge Schwedin Mahmoud wieder, einem erfolgreichen Politologen, ihrer großen Liebe. Er besitzt Informationen, die seinen Tod bedeuten können. Und auch Klaras.
Arkösund & Sankt-Anna-Schärengarten: Ihr Fluchtpunkt. Hier ist Klara aufgewachsen. Hier gibt es Menschen, so rau wie die Natur. Auf die Verlass ist. Ganz gleich, wie hoch die Wellen schlagen.
Langley: Der amerikanische Agent ist der Einzige, der Klara retten kann. Ein Mann, der bei seinen Einsätzen alles vergessen wollte: Die Vergangenheit. Die Schuld. Sein Kind, das er nie wieder gesehen hat. Und der nur an einem Ort Ruhe findet. Im Wasser. Während er seine Bahnen schwimmt. Zug um Zug.
Mahmoud erhält einem ehemaligen Kollegen den Hinweis auf brisantes Geheimmaterial, das er sicher in einem Schließfach in Paris aufbewahrt. Beim ersten Treffen wird der Kollege ermordet und Mahmoud des Mordes beschuldigt. Er kann sich noch zu Klara retten, die aber ebenfalls überwacht wird. Gemeinsam gelingt ihnen die Fahrt von Belgien nach Paris, wo sie das Schließfach finden. Doch die Verfolger sind nicht abzuschütteln und Mahmoud stirbt in einem Schusswechsel. Klara fährt mit dem gesperrten Laptop weiter nach Amsterdam, wo sie Hilfe für das Entsperren findet. Gemeinsam mit ihrer besten Freundin Gabriele versteckt sie sich auf den Schärengarten. Jetzt tritt erstmals Langley, ihr Vater, in ihr Leben. Gemeinsam mit Klara`s Großvater will er Klara retten. Es gelingt ihm, aber er verliert dabei das Leben. Der Apple-Computer bleibt für die beiden Frauen ihre Lebensversicherung.
Jetzt erst erfährt Klara, dass sie ihren Vater verloren hat. Sie fällt in tiefe Melancholie. Das Stück von Arvo Part "Spiegel im Spiegel" begleitet sie dabei.
Susanne, die Vorgesetzte von Langley, empfängt am Ende des Romans Klara. Auf die Frage, wie er Vater gewesen sei, antwortet sie - er war ein Schwimmer.

Musikhinweis: Prince Phillip Mitchell "I´m so happy" http://www.youtube.com/watch?v=RH2q0kmxcqQ
Arvo Part "Spiegel im Spiegel"
http://www.youtube.com/watch?v=T8udEA_dx1s

Sonntag, 21. September 2014

Der Allesforscher von Heinrich Steinfest

Diesmal kein Krimi sondern eine wunderbare Erzählung.
Personen - Sixtus Braun, Manager, Bademeister, Erzähler; Lana, deutsche Ärztin in Taiwan, Geliebte von Sixtus und Mutter von Simon, einem kindlichen Allesforscher; Kerstin, spätere Geliebte von Sixtus; Auden Cheng, leiblicher Vater von Sixtus; Mercedes der Messerwerfer; Astri, die Schwester von Sixtus.
Sixtus Braun wird in Taiwan von einem Stück eines explodierenden Wals getroffen. Im Krankenhaus lernt er Lana kennen und lieben. Bei der Rückreise von Japan stürzt Sixtus ins Meer wird gerettet und kehrt nach Deutschland zurück. Der Kontakt zu Lana versiegt. Sixtus nun Bademeister adoptiert nach dem Tod von Lana den scheinbar gemeinsamen Sohn Simon. Dieser hat jedoch ein asiatischen Aussehen, spricht eine nur ihm bekannte Sprache, ist hochbegabt beim Klettern und ein Zeichengenie - ein Allesforscher. Sein wirklicher Vater ist der Taiwanese Auden Cheng , der sich vor dem Geheimdienst in die Tiroler Berge geflüchtet hat. Hier endet auch der Roman - es begegnen sich Sixtus, Auden und Simon ohne über ihre wirkliche Beziehung zu wissen - sie können sie nur erahnen. Die drei Personen bilden für die Zukunft eine Symbiose und freundschaftlich verbunden.

Vermerk - W.H. Auden Funeral Blues (stop all the clocks)

http://www.wienerzeitung.at/themen_channel/literatur/buecher_aktuell/628673_Steinfest-Heinrich-Der-Allesforscher.html

Samstag, 20. September 2014

Die letzten Tage der Menschheit, 19.9.2014

Das sozialkritische Werk von Karl Kraus wurde wieder in die Spielsaison des Volkstheaters aufgenommen. Das ist gut so, weil es genau in das Jahr 2014 passt.
Das Stück ist sehr lebendig und bildhaft gestaltet. Manchmal hat man den Eindruck es ist wie eine Comic-Fassung (im positiven Sinn) und wirkt deshalb so leicht und verdaubar.
Positiv auch der Aufbau der Dramaturgie - vom Hurra bis zur Verzweiflung.
Eine Persiflage auf Krieg und Vernichtung!

http://www.volkstheater.at/home/spielplan/1743/Die+letzten+Tage+der+Menschheit

Mittwoch, 13. August 2014

Talking Head 12.8.2014

Am Dienstag fand um 21.00 Uhr die Aufführung des Tanzstückes "Talking Head" durch Chris Haring/Liquid Loft im Odeon statt.
Schon das Gebäude "Odeon" - früher Handelshaus für Getreide und Agrarprodukte - beeindruckt durch den großartigen Neoklassizismus.
Das Stück handelte von Entfremdung durch Neue Medien. Anhand eines Apples-Programmes wurden immer wieder Bilder verfälscht und verzerrt dargestellt. Mit Hilfe des Tanzes und Materialien (Karton) löste man/frau die Szenen auf.

https://www.youtube.com/watch?v=toDlTKTgJN8

Samstag, 5. Juli 2014

Metropolis 4.7.2014

Die Melker Sommerspiele widmen sich dem großen Werk von Fritz Lang "Metropolis". Den Text für das Theaterstück verfasste Franzobel, die Musik stammt von Thomas Gansch und Regie führt Alexander Hauer.
Bei der gestrigen Aufführung war der Autor persönlich anwesend und der ORF filmte das Theaterstück mit.
Schlüsselsatz: Es braucht eine Verbindung zwischen Hirn und Hand, nämlich das Herz.

https://www.kultur-melk.at/sommerspiele/programm.php?PHPSESSID=394f983aa264251c365bbd00b1c61217#!prettyPhoto

Film: https://www.youtube.com/watch?v=B4rI__TRvcY

Sonntag, 15. Juni 2014

Winterreise 15.6.2014

Heute endeten die Wiener Festwochen mit der Aufführung der Winterreise von Franz Schubert. Illustriert wurde der Liederzyklus von William Kentridge.
So vielschichtig sah und hörte man die Winterreise noch nie. Eine Flut von Eindrücken und Assoziationen machten uns Zuhörer und Zuseher fast sprachlos.
Bariton: Matthias Goerne
Klavier: Markus Hinterhäuser

Neben uns saß übrigens niemand geringerer als Bruno Ganz.

http://www.festwochen.at/programmdetails/winterreise/
http://diepresse.com/home/kultur/1595692/Winterreise_Trostlicher-Schubert

Samstag, 31. Mai 2014

Sacred Concert 30.5.2014

Im Turnsaal der NMS Persenbeug fand am Abend die Aufführung von Sacred Concert von Duke Ellington statt. Ein Projekt der Southern Woodquarter Bigband und Chor unter der Leitung von Florian Neulinger. Ein Feuerwerk an mitreißender Musik - tolle Big Band und faszinierender Chor. Die Soli sang Veronika Eder.
Beeindruckend war der tolle Klang beider Klangkörper (am Mischpult Andi Schoder), die ineinander verschmolzen.
Kategorie - hörens- und sehenswert!

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